Lebenshilfe Ostallgäu

Verfasst von Rebecca Müller, Bundesfreiwilligendienstleistende am Bukowina-Institut



selbstverständlich selbstbestimmt – ein Blick hinter die Kulissen

Das Team des Bukowina-Instituts der Universität Augsburg hatte die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen der Lebenshilfe Ostallgäu zu werfen und mit dem Geschäftsführer, dem Werkstattleiter, dem ehemaligen Vorsitzenden, einer langjährigen Mitarbeiterin und einem Bundesfreiwilligendienstleistenden Interviews zu führen. Die Lebenshilfe Ostallgäu ist ein Ortsverein in Kaufbeuren der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.

Unter dem Motto „Selbstverständlich Selbstbestimmt“ hat die Lebenshilfe Ostallgäu es sich als Ziel gesetzt Menschen mit Beeinträchtigungen bei ihrem Leben in der Gesellschaft zu begleiten und mit ihren Einrichtungen zu unterstützen. Der Verein wurde 1964 von Eltern von Menschen mit einer geistigen Behinderung als Selbsthilfeorganisation gegründet. In dem folgenden Artikel könnt ihr mehr über die Lebenshilfe und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfahren.


Aussenansicht der Lebenhilfe
Außenansicht der Lebenshilfe. Bildrechte: Lebenshilfe Ostallgäu


Im Gespräch mit:

Klaus Prestele ist seit vier Jahren Geschäftsführer der Lebenshilfe Ostallgäu und Projektpartner bei Sozialprojekten in der Ukraine und dem Bezirk Schwaben.


Klaus Prestele
Der Geschäftsführer der Lebenshilfe: Klaus Prestele. Bildrechte: Lebenshilfe Ostallgäu


Über seinen Bezug zur Arbeit mit Menschen mit Behinderung


Passt eigentlich trotzdem finde ich ganz gut zu meinem Lebenslauf weil ich mein FSJ in Polen in einer Einrichtung für schwerst-mehrfach behinderte Kinder gemacht habe, also so ein bisschen hat sich der Kreis dann doch wieder geschlossen.



Über den Osteuropabezug und die Partnerschaft in der Ukraine (Kizman)



„Was ganz schön ist für mich ist sozusagen mein Osteuropa Bezug […] gleichzeitig hat sich da einfach die Chance aufgetan dass wir die Partnerschaft mit einer ukrainischen Einrichtung aufbauen können und vertiefen können.“ (Klaus Prestele)

Alle gingen in die Richtung, dass es uns gut tun würde, wenn wir sozusagen internationale Aspekte auch kennenlernen würden, mitbekommen würden, wie andere Kolleginnen und Kollegen die in diesem Feld wo wir tätig sind arbeiten, arbeiten müssen vielleicht. Sozusagen, dass wir wirklich eine Horizontserweiterung dann auch bräuchten.



Und da war ich mehrfach in Czernowitz und Umgebung und habe nach einem passenden Partner Ausschau gehalten, was gar nicht so einfach ist, weil in der Ukraine die soziale Arbeit ganz anders strukturiert ist, als bei uns.



„Für beide Seiten ist eine Kooperation gewollt und gewünscht. Ich denke auch, dass die Chemie passt.“ (Klaus Prestele)

Zwei Sachen haben wir gemacht, die sind relativ einfach in der Umsetzung. Das eine ist nämlich, dass regelmäßig jetzt ukrainische Freiwillige zu uns nach Deutschland kommen und hier ihren Freiwilligendienst leisten, im Moment ist mit Ilija, (den interviewen sie ja auch noch), ein Freiwilliger da.



Das zweite was wir gemacht haben, schon seit 3, 4 Jahren denke ich, treffen sich die Kinder und Jugendlichen aus der Tagesstätte von Kaufbeuren und der Einrichtung in Kizman im Rahmen eines internationalen Jugendaustausches, eines inklusiven Jugendaustausches in Polen.



Wie kann Inklusion gelingen?


„Ich denke, dass Inklusion nur dann gelingen kann, wenn es breite gesellschaftliche Akzeptanz für das Thema gibt.“ (Klaus Prestele)

Ilja ist ein ukrainischer Bundesfreiwilligendienstleistender, der über ein Jahr bei der Lebenshilfe Ostallgäu arbeitet.


Seine Motivation:


Hier mit Menschen mit Behinderungen zusammenzuarbeiten, um ihnen zu helfen, und es wäre interessant zu sehen, wie solche Menschen hier im Ausland arbeiten, weil ich vorher keine solche Gelegenheit hatte, aber jetzt ist sie erschienen und ich habe beschlossen, es zu versuchen. Solche eine einfache Motivation und Interesse habe ich.


Seine Aufgaben bei der Lebenshilfe


„Zuallererst ist es Hilfe, zum Beispiel bei den Hausaufgaben zu helfen, sich umzuziehen, Essen in die und aus der Küche zu bringen, das helfe ich auch. Zu Weihnachten machte ich hier Weihnachtsspielzeuge für Kinder, das heißt, ich arbeitete in einer Werkstatt. Während des Coronavirus hatte ich die Möglichkeit, mit Erwachsenen in Wohnheim zu arbeiten. Dort führte ich Aufgaben aus, die eher außerhalb meines Berufs lagen. Ich übte Kreativitätsspiele mit ihnen aus, weil sie alle zu Hause saßen.“ (Ilja)


Hölzerner Fuchs
Weihnachtsspielzeug für Kinder


Unterschiede im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung in Ukraine und Deutschland:


„Hier wird der sozialen Rehabilitation mehr Aufmerksamkeit geschenkt, es handelt sich nicht um Arbeit aus medizinischer Sicht und als die Inklusion dieses Wohnheims, in dem ich lebe, dann noch Projekte, Reisen, Ferien. Denn in der Ukraine scheint es mir, dass nur medizinische Versorgung angeboten wird.“ (Ilja)


 Ilja Krestianikov im Interview
Mira Melnyk im Interview mit Ilja Krestianikov


Was nimmst du für dich mit in die Ukraine?


„Zum Beispiel wenn ich wieder in der Ukraine sein werde, kann ich nach meiner Erfahrung meinen Kommilitonen aus der Universität erzählen, dass ich sogar mit solchen Leuten gelebt habe und wie in dem Sprichwort "Der Wolf ist nicht so sehr schrecklich, wie man ihn malt", da brauchen wir keine Angst haben- alles ist möglich.“ (Ilja)

„Ich denke, wir haben keine Freiwilligentätigkeit zum Beispiel eine solche Wahl wie hier zu helfen finde ich als eine gute Idee. Ich wollte, dass wir dieses FSJ auch in der Ukraine haben, und das ist eine sehr gute Sache, weil du Zeit hast darüber nachzudenken, welchen Beruf du haben willst, und du hilfst und du siehst, was um dich herum gemacht wird, weil es eine Art Sozialarbeit ist.“ (Ilja)

Seit 36 Jahren ist Rosi Haser-Neumayer Mitarbeiterin der Lebenshilfe.


Rosi Haser-Neumayer
Rosi Haser-Neumayer. Bildrechte: Rosi Haser-Neumayer


Ihre Motivation


Die Motivation: „Meine Motivation, ich arbeite schon 36 Jahren mit behinderten Menschen und ich habe immer sehr gerne mit solchen Leuten gearbeitet, weil sie sehr besondere Menschen sind und ich kann selber viel von beeinträchtigten Menschen lernen. Und es war immer für mich eine große Motivation und eine Freude, weil die behinderten Menschen haben eine andere Art mit Dingen umzugehen. Sie sind ehrlicher, viel direkter und sie machen auf andere Dinge aufmerksam als andere. Deswegen finde ich die Arbeit mit behinderten Menschen sehr schön.“ (Rosi Haser-Neumayer)


Rosi Haser-Neumayer im Portrait
Rosi Haser-Neumayer. Bildrechte: Lebenshilfe Ostallgäu


„Seit ein paar Jahren arbeite ich nicht mehr als Gruppenleiter bei der Tagesstätte, sondern ich bin im Wachdienst für Autismus 1 speziell ausgebildet.“ (Rosi Haser-Neumayer)


Eine Geschichte zur Selbstbestimmung


Ich möchte gerne noch eine kleine, kurze Geschichte Ihnen aus meiner Erfahrung mit einem Zusammenhang der Selbstbestimmung geben. Eine alte Dame hat sich den Fuß gebrochen und liegt in dem Krankenhaus. und es gibt zwei Krankenschwestern. Eine bringt die Zeitung und macht ihr alles was die alte Dame wollte. Und eine andere sagt: „Ja, wenn sie eine Zeitung wollen, dann sollen Sie aufstehen und selber holen, aber ich helfe Ihnen.“ Dann wurde die alte Dame entlassen. Und danach kommt ein Angehöriger und bringt einen Blumenstrauß mit. Und jetzt ist die Frage an Sie, wem er den Blumenstrauß gebracht hat?



Wem würden Sie den Blumenstrauß geben?

Hans Raabe, Jahrgang 1941, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Vereins, hat durch seinen Sohn mit Handicap starke persönliche Bindungen zur Lebenshilfe und war jahrelang zunächst Schriftführer und als 2. Vorsitzender tätig. Als Geschäftsführer bei der IHK Ulm bringt der ausgebildete Diplom-Kaufmann einen reichen Erfahrungsschatz mit. Zudem ist er noch Beisitzer im Vorstand der Lebenshilfe.


Interview Hans raabe
Das Interview-Team des Bukowina-Instituts im Gespräch mit Hans Raabe im Besprechungsraum der Lebenshilfe.

Über das Bundesteilhabegesetz


„Mein Anliegen war, diese Teilhabe Gesetzgebung 2 maßgebend mitzugestalten [...] und letztendlich muss ich sagen, dass das Teilhabegesetz in meinen Augen eine gute Sache, bei allen Schwächen. Gut deshalb, weil die Betrachtung auf Menschen mit mentaler Einschränkung eine andere geworden ist. [...] Ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind“ (Hans Raabe)


Inklusion in Schule und Arbeit


Wenn jetzt ein Kind mit Einschränkungen in einem Kindergarten war, der inklusiv war, dann in eine Schule kommt, die inklusiv ist, die Schule beendet, glaubst du, der will in eine geschlossene Werkstatt? Das glaube ich nicht mehr.


Sport als ein Weg zur Inklusion


„Wir haben das hier versucht […] über den Sport zu machen. […] Was bis Ende letzten Jahres hier bei uns im Sport abging war einfach sensationell schön. Fußballverein, Fußballturniere, die Laufgruppe […] und die, die dort in diesem Sportverein mitgemacht haben […] wollen die nicht mehr missen. […] Das ist dann wirklich Inklusion wie ich sie verstehe.“ (Hans Raabe)


Wunsch für seinen Sohn für die Zukunft


Ich hoffe, dass dann die Lebenshilfe unserem Sohn das gibt, was ich vielleicht der Lebenshilfe mal gegeben habe. Nicht nur hoffe, ich bin da eigentlich ziemlich sicher.




Die Wertachtal Werkstätten


Die Wertachtal Werkstätten sind eine Einrichtung der Lebenshilfe Ostallgäu für die berufliche Rehabilitation für geistig, körperlich und psychisch behinderte Menschen. Sie bieten Menschen einen Arbeitsplatz, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung keine berufliche Möglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben. So unterstützen sie Menschen mit Behinderung, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und zu behaupten.3

Markus Knab ist Leiter der Behindertenwerkstätten Wertachtal Werkstätten in Kaufbeuren bei der Lebenshilfe Ostallgäu. Er hat selbst eine Beeinträchtigung.

„Die Lebenshilfe, das ist eine Familie“ (Markus Knab)


Rosi Haser-Neumayer s
Markus Knab. Bildrechte: Lebenshilfe Ostallgäu


Über die Wertachtal Werkstätten


Wir sind eine Behindertenwerkstätte, also eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Wir bieten verschiedene Tätigkeiten an, also wir haben eine Schreinerei, Metallbereich, wir haben eine Hauswirtschaftsgruppe, eine Wäscherei,wir haben eine Büro und Logistikgruppe, [...] da arbeite ich selber auch, hauptsächlich im Logistikbereich. Dann haben wir einfache Montagegruppen und technische Montagegruppen.



„Wir sind in sämtlichen Bereichen mittlerweile auch zertifiziert.“ (Markus Knab)

Die Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind mittlerweile schon richtige kleine Firmen geworden, wenn man es richtig nimmt. Früher war es, als die Eltern es ins Leben gerufen haben war es eigentlich nur ein Ziel Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz zu schaffen. Mittlerweile ist es darüber hinaus gewachsen.



Wünsche für die Inklusion


„Es wäre schön, einfach dass man […] auf Augenhöhe zusammen kommt. Momentan ist es ja immer noch nicht so einfach. […] Menschen mit Behinderung die haben in Deutschland immer noch bisschen einen anderen Stand, als [….]man es eigentlich sich erhofft.“ (Markus Knab)


Quellen:

[1]: Was ist Autismus?

[2]: Bundesteilhabegesetz

[3]: Wertachtal.de