Interview mit Anna Stratulat

Verfasser: Olha Bilous, Studentin der Geschichte an der Universität Černivci



Anna Stratulat, geborene Filipchuk, ist Direktorin des Czernowitzer städtischen inklusiven Ressourcezentrums №2 und stand den Studierenden für ein Interview zur Verfügung:

I: Gemäß der vom Ministerkabinett der Ukraine im Juli 2017 verabschiedeten Bestimmung über ein inklusives Ressourcenzentrum ist dieses eine neue Einrichtung im System der Vorschulerziehung und der allgemeinen Sekundarbildung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, welches in der Praxis die Funktionen der inklusiven Bildung erfüllt. Bitte teilen Sie uns genauer mit, welche Funktionen dieses Zentrum erfüllt und wie es Kindern hilft, eine Ausbildung zu erhalten?

Anna Stratulat: Aufgabe des Inklusionszentrums ist es, zunächst die psychologische und pädagogische Bewertung des Kindes durchzuführen, seine besonderen pädagogischen Bedürfnisse zu ermitteln und Lernempfehlungen zu entwickeln. Außerdem liefert es psychologische und pädagogische Unterstützung für Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen, methodische Unterstützung von Vor, Mittel- und Berufsschulen und Beratung der Eltern bei der Betreuung. Wir haben eingerichtete Räume für Sonderpädagoginnen und -pädagogen, für Logopädielehrerinnen und -lehrer, für Sprachlehrerinnen und -lehrer, für praktische Psychologinnen und Psychologen, für Sozial- und Haushaltsorientierungs- und für Rehabilitologen-Lehrerinnen und -lehrer. Die gesamte umfassende Bewertung erfolgt mit jedem Kind einzeln, von jeder Fachkraft und es wird ein individuelles Programm zur Entwicklung des Kindes erstellt.


Gesprächsszene
Anna Statulat


I: Ihr Zentrum existiert noch nicht so lange, deswegen interessieren wir uns für die Anzahl der Kinder, die Ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen?

Anna Stratulat: Gemäß der ukrainischen Gesetzgebung werden die Zentren für eine Anzahl von 7.000 Kindern erstellt. In unserer Stadt gibt es zwei solcher Zentren. Es ist geplant,ein drittes Zentrum für die Bedürfnisse der Kinder in jedem Wohngebiet der Stadt zu eröffnen. In der Tat versuchen wir, die Hilfe zu leisten, die Kinder, Eltern und die Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt brauchen.

I: Im Zusammenhang mit der Einführung der inklusiven Bildung ist es so, dass die Eltern das Recht haben, die Bildungsorte des Kindes zu wählen. Wie empfehlen Sie den Eltern, sich für eine spezielle Einrichtung oder eine reguläre Einrichtung zu entscheiden? Und befolgen sie den Rat von Fachleuten?

Anna Stratulat: Eltern sind die wichtigsten Entscheidungsträger bei der Wahl einer Einrichtung für das Kind. Sie wählen die Institution, die sie am meisten beeindruckt. Natürlich versuchen wir in unserem Zentrum, Eltern zu den Bildungseinrichtungen der Stadt zu schicken, die territorial dazugehören, sodass es so komfortabel wie möglich für Kinder, Eltern und die Pädagoginnen und Pädagogen ist. Es soll komfortabel sein, in die Einrichtung zu kommen und von Fachpersonal Beratung und Hilfe zu bekommen. Es gibt Fälle, in denen Verträge über die Unterstützung beim Transport mit den Behörden auf Antrag der Eltern abgeschlossen werden. Eltern haben die Möglichkeit, das Kind in die Bildungseinrichtung und nach Hause zu bringen. Aber natürlich soll man auf die territoriale Zugänglichkeit der Schule achten. Nicht jede Institution verfügt über Fachkräfte, die professionelle Hilfe leisten können. All dies sollte berücksichtigt werden.

I: Welches Fachpersonal arbeitet in welchen Bereichen im Zentrum? Wie hält man die Kurse ab? Und wie wirken sich Quarantänebeschränkungen, Covid-19 und das Fernstudium auf das Lernen aus? Es ist wahrscheinlich ziemlich schwierig, eine Ausbildung durchzuführen?

Anna Stratulat: Ja, es ist nicht einfach. Wir beginnen mit dem Fachpersonal. Ich habe bereits gesagt, welche Räume eingerichtet wurden, ebenso die entsprechenden Spezialisten, unter anderem aus der praktischen Psychologie und der Logopädie. Der Korrekturlehrer ist eine Fachkraft, die mit Kindern arbeitet, die (vor allem) Probleme in der körperlichen und geistigen Entwicklung haben und die Kinder dahingehend unterstützen sollen. Was die Pandemie betrifft, so denke ich, dass sie zu einer Herausforderung für uns alle geworden ist. Und das Fernstudium ist eine Änderung für Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen. Natürlich ist es schwierig, weil nicht jedes Kind die geforderte Technik hat, etwa einen Computer oder ein Tablet. Wir haben eine Entscheidung getroffen, dass, wenn ein Kind diese Mittel oder Geräte nicht hat, dann drucken wir das Material im vorab aus. Und wir bieten den Eltern an, dieses Material abzuholen. Wenn nicht, dann schicken wir es an die E-Mailadresse oder bringen es direkt nach Hause, damit das Kind den Lehrstoff nicht verpasst und die Korrekturen erhalten wird. Wir haben auch Informationen auf der Facebook-Seite veröffentlicht, einige unserer Leistungen, sodass es für Kinder und Eltern anschaulich ist. Schließlich haben nicht alle Eltern professionelle Methoden und verfügen über die notwendigen Mittel und Materialien für die Ausbildung ihrer Kinder. In ähnlicher Weise wurde auf der Website des regionalen Bildungsministeriums eine Seite erstellt, die bestimmte Beschäftigungen abdeckt, die zu Hause durchgeführt werden können. Darüber hinaus muss jede Fachkraft, die in der Einrichtung arbeitet, einen mehrstufigen Bewerbungsprozess durchlaufen, über eine Hochschulausbildung und Berufserfahrung verfügen. Daher ist es nicht so einfach, die richtigen Fachkräfte zu finden, weil nicht jeder den Auswahlprozess besteht, und die Fragen beantworten möchte. Der Wettbewerb selbst findet online statt. Auch das bringt einige Schwierigkeiten. Einerseits haben Online-Kurse eine Reihe von Vorteilen, denn jederzeit kann der Unterricht abgebrochen werden, damit etwas wiederholt oder sich an etwas erinnert werden kann, auch kann man zu einem bestimmten Lehrstoff zurückkehren und es gibt keine zusätzlichen Reize, die das Kind ablenken können, wie Geräusche und Schreien. Es gibt Beleuchtung und einen Arbeitsbereich, an den das Kind gewöhnt ist. Das sind die Vorteile.

Nachteile sind, dass nicht jeder die technische Ausstattung, die Möglichkeit und Zeit hat, um ins Internet zu gelangen. Das sind Nachteile. Aber die Vorteile sind, dass die Kinder und die Eltern sich den Unterricht jederzeit nochmal anschauen können.

I: Was sind Ihrer Meinung nach die Nachteile und Vorteile dieser neuen inklusiven Bildung für die Ukraine verglichen mit dem früheren sowjetischen System, wenn Kinder nur in speziellen Einrichtungen gemäß der Überweisung lernen durften?

Anna Stratulat: Die Hauptform des Bildungsprozesses, wie in der Mittelschule und hier, ist der Unterricht. Die Vorteile einer Sonderschule sind die Anzahl der Kinder. In der Klasse können acht bis zehn Kinder unterrichtet werden. Dabei wird nicht nur nach dem Alter geschaut, wie es in der Mittelschule vorkommt, sondern auch nach den Besonderheiten des Kindes. Auch die Komplexität der Beeinträchtigungen spielt eine Rolle. In der Gesamtschule wird nur die Art des Programms berücksichtigt. Es können bis zu drei Kinder mit dem gleichen Programm in der Klasse sein. Darüber hinaus verfügen Sonderschulen über spezielles Fachpersonal, die den Kindern sonderpädagogische Hilfestellungen geben. In den allgemeinbildenden Schulen gibt es nicht immer das passende Personal. Es kommt vor, dass Sachverständige aus einer Einrichtung zum Kind kommen, um dann in einer anderen Einrichtung Unterricht zu nehmen. Das führt zu Momenten, die nicht jeder Person gefallen. In den Sonderschulen gibt es Fachleute, von denen jeder eine sonderpädagogische Ausbildung hat. Die Gesamtschulen haben es nicht. Aber es gibt viele Online-Plattformen, die dabei helfen, die Besonderheiten der inklusiven Bildung zu beherrschen. Aber sowohl die Kinder, als auch die Zeiten verändern sich, und wir können nicht auf altmodische Weise lehren und neue Ergebnisse erwarten. Dennoch muss es versucht werden. Es hängt alles von der Person ab. Wenn sie will, dann kann sie etwas ändern.