Die Umsiedlung der Bukowina-Deutschen und die Euthanasie

Verfasserinnen: Katharina Taxis und Franziska Pohlmann, Studentinnen der Kunst- und Kulturgeschichte und der Historischen Wissenschaften an der Universität Augsburg



„Das allerdunkelste Kapitel in der Geschichte der Umsiedlung ist die Behandlung von Menschen mit Behinderungen, denen die Leiter der EWZ keine Lebensberechtigung zugestanden.“ (Mariana Hausleitner: Viel Mischmasch mitgenommen, S. 144)

Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 wurde in dem Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt, auch Hitler-Stalin-Pakt genannt, vereinbart, dass die Länder Ostmittel- und Südosteuropas unter NS-Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt werden sollten. Unter der propagandistischen Parole „Heim-ins-Reich“ sollten deutschsprachige Minderheiten, unter anderem aus der Bukowina, in annektierte Gebiete des „Dritten Reichs“ angesiedelt werden. Anstatt einer sicheren Heimat erwartete die 95.770 Umsiedlerinnen und Umsiedler aus der Bukowina zunächst ein beschwerliches Lagerleben, bevor sie auf Höfen, Gütern und in Wohnungen in den eingegliederten polnischen Gebieten untergebracht wurden. Die dortige Bevölkerung wurde vorab gewaltsam von den Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten vertrieben.


Umsiedlerausweis
Umsiedlerinnen und Umsiedler erhielten einen Umsiedlerausweis, Archiv für Schriftgut, Bukowina-Institut Augsburg.


Bereits in den Vorbereitungen zur Umsiedlung wurden die Umsiedlerinnen und Umsiedler aus der Bukowina von der sogenannten Einwanderzentralstelle (EWZ) auf ihre „Ansiedlungseignung“ überprüft, wie es in der Sprache der Nationalsozialisten hieß. In den Lagern erhielten alle restlichen umgesiedelten Personen eine Gesundheitskarte und sie mussten sich gesundheitlichen und erbbiologischen Untersuchungen unterziehen. Erbkrankheiten wurden nicht nach heutigen medizinischen Kriterien definiert, auch Alkoholismus, „Asozialität“ oder „eine anlagebedingte und daher nicht besserungsfähige Geisteshaltung“ erzielten einen schlechten „Erbwert“. Empfanden die Ärztinnen und Ärzte eine Person für „auffällig“, so wurde sie gegen ihren Willen sterilisiert.

Menschen mit Beeinträchtigungen wurden in Institutionen transportiert, die als „Heil- und Pflegeanstalten“ bezeichnet wurden, die aber oftmals Orte der gezielten Tötung von Menschen mit Beeinträchtigung waren. Verwandte der Betroffenen wurden getäuscht, indem ihnen mitgeteilt wurde, dass ihre Angehörigen einen für ihre Bedürfnisse angemessenen Transport zur Umsiedlung erhielten.

Als „unwertes Leben“ zählten die Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten eine Vielzahl von kranken Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen. Diese wurden als unbrauchbar für das nationalsozialistische Reich deklariert. Unter dem Vorwand Kranke bei kritischer Beurteilung ihres Gesundheitszustandes einen „Gnadentod“ zu gewähren und aus vermeintlich wirtschaftlichen Gründen, wurden viele Menschen mit Krankheiten oder einer Beeinträchtigung in der sogenannten "Aktion t4" ermordet. Die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens gab es bereits vor dem Nationalsozialismus. Doch durch die nationalsozialistische Rassenpolitik wurde bestimmt und kontrolliert, welche Menschen zur Fortpflanzung der „deutschen Rasse" geeignet schienen. Unter dem Begriff „Euthanasie“ wird im deutschen Sprachgebrauch die Ermordung von „lebensunwerten“ Leben durch die Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten verstanden.

Die Opfer der Zwangssterilisation und „Euthanasie“ sowie die Angehörigen mussten nach dem Zweiten Weltkrieg die bittere Erfahrung machen, dass sie nicht als offizielle Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden. Erst im Jahre 2007 erklärte der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1933 zu einem NS-Unrechtsgesetz und rehabilitierte die Opfer.

Dieser Artikel über die verschwundenen und misshandelten Umsiedlerinnen und Umsiedler aus der Bukowina möchte zum öffentlichen Bewusstsein und zur Anerkennung der Opfer der „Euthanasie“ und Zwangssterilisation beitragen.