Euthanasie in der Ukraine während des Zweiten Weltkrieges

Verfasser: Anastasia Gunina, studiert Geschichte an der Universität Černivci



Die Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten ließen hunderttausende Menschen ermorden, die sie als „unwertes Leben“ klassifiziert hatten, was sie euphemistisch als „Euthanasie“ bezeichneten.

Menschen mit bestimmten „Behinderungen“ erhielten tödliche Injektionen, wurden vergast oder psychisch Kranke und Menschen mit Beeinträchtigungen verhungerten durch Essensentzug. Später wurden die unheilbar Kranken und Arbeiterinnen und Arbeiter, die körperlich verletzt oder „verkrüppelt“ waren und nicht mehr weiterarbeiten konnten, zu dieser Gruppe hinzugefügt.

Während der Besetzung der ukrainischen Gebiete durch das nationalsozialistische Regime im Zweiten Weltkrieg, wurden auch dort Menschen mit Beeinträchtigungen ermordet. Eine solche Politik war die Weiterführung der „Aktion t4“ auf dem Gebiet des Reichskommissariats Ukraine, um die „Säuberung“ der „arischen“ Rasse von „minderwertigen Elementen“, von „Geisteskranken“, von Menschen mit schweren Erbkrankheiten und von körperlichen „Behinderungen“ zu gewährleisten. Es wurden spezielle Einsatzgruppen wie „A“, „B“, „C“ und „D“ eingerichtet, die unter der Führung der Wehrmacht standen. In der Ukraine gab es eine Einsatzgruppe „C“ unter der Führung der „Armee Süden“, die nicht nur für die „Ausrottung“ der jüdischen Bevölkerung verantwortlich war, sondern auch für die Morde an den psychisch kranken Menschen in den psychiatrischen Krankenhäusern: in Kiew, Poltawa, Schytomyr, Dnipro, Winnyzja, Saporischschja, Charkiw, Tschernihiw.

Nach der Ermordung der Patientinnen und Patienten wurden die Krankenhäuser von den Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten auf verschiedene Weise genutzt. Erwähnenswert ist das psychiatrische Krankenhaus in Winnyzja, dessen Gebäude in ein Sanatorium und in ein Kasino umgewandelt wurde. (Nach den Angaben des Historikers O. Melnytschuk wurden dort am 24. Juli 1941 1.705 Patientinnen und Patienten behandelt). In den ersten Tagen der Besatzung wurde eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten entlassen, allein 300 Menschen in diesem Krankenhaus. Ungefähr 400 Patientinnen und Patienten wurden aus dem psychiatrischen Krankenhaus in Kiew entlassen. In der Stadt Schytomyr, die am 9. Juli 1941 von den Nationalsozialisten besetzt wurde, zeigen Krankenhausunterlagen, dass im ersten Monat der Besatzung noch 114 Menschen und im August weitere 18 entlassen wurden und dass Patientinnen und Patienten, die im Krankenhaus blieben, im September desselben Jahres ermordet wurden.

Nicht alle Patientinnen und Patienten hatten einen Ort, an den sie gehen konnten. Später verbot die Gestapo die Entlassung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Aufgrund des Mangels an Nahrungmitteln starben viele Menschen an Hunger, aber es war ein sehr langsamer Tod.

Arzneimittelversuche zur Tötung der Patientinnen und Patienten begannen im September 1941 im Krankenhaus in Winnyzja; Versuche wurden unter Verwendung von Cyanidoxid unternommen. Bis zum Dezember 1941 kam es zu einer systematischen Tötung von Menschen mit Beeinträchtigungen 1.018 Menschen wurden auf diese Weise ermordet.

Der nächste Ort war das psychiatrische Krankenhaus in Dnipropetrowsk (Igren), in dem etwa 1.300 Menschen mit Morphin, Ammoniak, Strychnin, Insulin und anderen Giften getötet wurden. Die, in sowjetischen Statistiken angegebenen Zahlen sind widersprüchlich, aber inzwischen kann gesagt werden, dass die Zahl der Opfer um ein Vielfaches höher war. An diesem Ort wurde später ein Konzentrationslager errichtet.


Gedenktafel der Besatzung 1941-43


Übersetzung des Texts auf dem Foto:

Während der deutschfaschistischen Besatzung 1941-1943 wurde ein Konzentrationslager für zivile Bewohnerinnen und Bewohner und sowjetische gefangene Soldaten auf dem Territorium des psychiatrischen Krankenhauses in der Stadt Dnipropetrowsk errichtet. Über 12.000 „geisteskranke“ Menschen wurden durch schreckliche Methoden getötet. Über diese Ermordungen wurde in den Nürnberger Prozessen beim internationalen Gericht gegen den Faschismus verhandelt. Im Jahre 1980 wurde ein Denkmal in Erinnerung an die getöteten Patientinnen und Patienten, an sowjetische kriegsgefangene Soldaten und in Gedenken an die Zivilbevölkerung gebaut, dank der Unterstützung der Bewohnerinnen und Bewohner, der überlebenden Kriegsgefangenen, dem Hauptarzt Pawlow O.W und dem Direktor des Maschinenbauwerks von Dnipropetrowsk Stromzow L.N. Autorinnen und Autoren des Denkmales sind: die Bildhauerin Walentina Schtschedrowa und der Architekt Wolodymyr Polozhyj.

Albert Wenger, Dozent am Lehrstuhl für Weltgeschichte der Nationalen Oles-Hontschar-Universität Dnipro in Dnepropetrowsk, befasst sich schon seit Jahren mit diesem Krankenhaus und den Verbrechen, die dort zwischen 1941 und 1943 begangen wurden. Er arbeitet seit mehreren Jahren an der Erforschung der „Tragödie in Igren“. Die Forschung begann im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Useless People“: The Extermination of Psychiatric Patients during the Nazi Occupation of Ukraine“ – „Nutzlose Menschen“: Die Ausrottung psychiatrischer Patientinnen und Patienten während der Besetzung der Ukraine durch die Nationalsozialisten“, an dem auch ukrainische und deutsche Expertinnen und Experten teilgenommen haben.

Im psychiatrischen Krankenhaus Kyryliw (Kiew) wurden unter dem Deckmantel einer Evakuierung etwa 300 Menschen am 14. Oktober 1941 unweit des Friedhofs in Kyryliw erschossen. Im Winter 1942 wurden weitere 365 Patienten auf die gleiche Weise ermordet. Die gleiche „Evakuierung“ wurde im Krankenhaus in Poltawa durchgeführt, wo von Oktober 1941 bis Juni 1942 900 Patienten erschossen wurden (jetzt gibt es dort ein Massengrab). Verhörberichte der sowjetischen Behörden von psychiatrischen Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Tschernihiw erwähnen die Autos – „Duschegubky“, mit Hilfe denen die Besatzer die Menschen töteten. So wurden am 20. Oktober 1941 etwa 241 Patientinnen und Patienten unter dem Vorwand der Evakuierung herausgebracht, die dann an einer Gasvergiftung starben, und im Dezember desselben Jahres starben weitere 173 Menschen auf die gleiche Weise.

Die Erinnerung an diese schrecklichen Tragödien lebt heute weiter. Gedenktafeln an diese unschuldigen Opfer befinden sich in der Nähe der Krankenhäuser.


Das Krankenhaus


Im Krankenhaus in Igren werden Exkursionen zu dem Gedenkorten durchgeführt. Das Krankenhaus ist ein Symbol des Schreckens und ein Mahnmal für ehemalige und kommende Generationen, da auch Dissidentinnen und Dissidenten während der Sowjetzeit „psychiatrisch inhaftiert“ wurden.

Am Eingang des Krankenhauses befindet sich ein Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Auf dem Krankenhausgelände befinden sich auch mehrere Denkmäler.

In Poltawa befinden sich drei Massengräber von Zivilistinnen und Zivilisten, Judenheiten, Kriegsgefangenen und Menschen mit Beeinträchtigungen, an dem Ort, wo sie ermordet wurden

In diesem Forschungsgebiet gibt es noch viele Desiderate, dazu zählen beispielsweise die Rettungsversuche einiger medizinischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Es ist wichtig, dass sich die Menschen noch an diese Ereignisse erinnern und diejenigen ehren, die während des Zweiten Weltkriegs getötet wurden.